Sonntagsgedanken 07. September

Evangelium vom 23. Sonntag im Jahreskreis
Evangelium vom griechischen eu-angelion heißt übersetzt Gute Nachricht. Wo ist im heutigen Sonntagsevangelium die gute Nachricht, dürfen wir berechtigterweise fragen. Jesus findet radikale Worte, die uns vor den Kopf stoßen. Wer nicht Vater und Mutter, Bruder und Schwester, Frau und Kind geringachtet, der kann nicht mein Jünger (meine Jüngerin) sein, sagt er.
Hat Jesus das Gebot „Du sollst Vater und Mutter ehren“ vergessen?
Wir haben heute aus dem 14. Kapitel des Lukasevangeliums gehört. Ein paar Kapitel weiter sagt Jesus: Wenn dein Bruder sich siebenmal am Tag gegen dich versündigt und siebenmal wieder zu dir kommt und sagt: Ich will umkehren!, so sollst du ihm vergeben (Lk 17). Widerspricht sich Jesus da nicht?
Und werden nicht die Beziehung zwischen Mann und Frau in der Bibel als göttliches Band beschrieben und Kinder als Geschenk Gottes?
Die heutige Evangeliumsstelle klingt hart, unverständlich und irritierend. Um Jesus nachfolgen zu können, sollen wir unsere Lieben, unser Leben und unseren Besitz geringachten.
Aber was meint Jesus damit?
Es geht um den Weg den Jesus verkündet, den Weg mit und zu Gott, der als getaufte Christen:innen auch unser Weg sein soll, für den wir uns bewusst und aus ganzem Herzen entscheiden. Zuerst muss es uns also um Jesus gehen, darum ihm nachzufolgen, so zu handeln, wie er es getan hat. Aus dieser Entscheidung heraus wächst dann alles andere: unsere Einstellung zum Leben, unsere Beziehung zu Menschen, die uns nahe stehen und die wir lieben, unsere Wertung von Besitz und materiellen Gütern. Theresa von Avila sagt: Wer Gott hat, hat alles, Gott allein genügt. Gott ist es ja, der uns die Fähigkeit schenkt, zu lieben, seine Schöpfung zu achten, Frieden zu suchen und den Nächsten nicht aus dem Blick zu verlieren. Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, ganzer Seele und all deiner Kraft, und deinen Nächsten wie dich selbst – lautet das wichtigste Gebot. Manchmal geht uns die Kraft aus, das weiß Gott, denn er kennt uns Menschen von Anfang an. Dennoch müssen wir uns die ernsthafte Frage stellen und eine Antwort für uns finden: Will ich diesen Weg gehen bzw. auch immer wieder suchen oder nicht? Und wenn wir uns für ein JA entscheiden, dann sollen wir keine Fähnchen im Wind sein.
Zwei Gesichtspunkte, die vielleicht zu einem besseren Verständnis beitragen:
Erstens: Der heutigen Evangelienstelle geht die Stelle vom Gastmahl voran, zu der die geladenen Gäste nicht kommen, weil sie - ihrer Meinung nach - Wichtigeres zu tun haben. Geht es uns nicht auch oft so? Gott lädt uns ein, aber wir haben keine Zeit zu kommen, weil anderes vorrangig ist. Es soll nicht so sein, dass wir für Gott nur dann Zeit finden, wenn wir gerade nichts Besseres vorhaben. Gott zuerst - wir sollen uns von anderen Menschen, Hobbies, Arbeiten, die auch zu einem anderen Zeitpunkt gemacht werden können und dergleichen nicht am Glaubensleben hindern lassen, denn daraus dürfen wir ja die Kraft schöpfen, den Herausforderungen des Alltags gewachsen zu sein. Wenn wir uns aber nie oder nur selten Zeit nehmen, die Quelle zu nähren, wird sie versiegen. Letztlich geht es darum, dem Glauben im Alltag eine Bedeutung und Praxis zu geben, die eingebettet sind in unsere täglichen und wöchentlichen Abläufe, ganz selbstverständlich, wie liebgewonnene Gewohnheiten, die wir gerne haben und schätzen, weil sie uns guttun und uns Sicherheit geben.
Und noch ein zweiter Gesichtspunkt: Gering achten hat als Synonymwort z.B. von oben herab behandeln. Ich möchte die negative Bedeutung, die hier mitschwingt, herausnehmen und sie anders deuten: Wir können unser Leben, unsere Lieben, alles, was wir an materiellen Gütern zur Verfügung haben, auch als etwas von oben herab behandeln, als Geschenk des Himmels. Unser Herz darf und soll sogar daran hängen, aber es muss uns auch bewusst sein, sie gehören uns nicht, unser Leben nicht, unsere Lieben nicht, sie sind uns von Gott für eine gewisse Zeitspanne geschenkt und anvertraut. Wir haben auch kein Recht auf Wohlstand, Hab und Gut, Reichtum und Überfluss. Wenn wir es haben, haben wir Glück, aber keinen Anspruch. Der Herr hat‘s gegeben, der Herr hat‘s genommen, sagt Hiob. Gerade wenn das Schicksal hart zuschlägt, wenn uns durch den Tod ein geliebter Mensch genommen wird, wenn wir durch eine Krankheit oder einen Unfall unsere Gesundheit verlieren, wenn wirtschaftliche Umstände unsere Existenz bedrohen, kann uns der Glaube ein Trost und eine Hoffnung sein. Nachfolge Jesu bedeutet also, auch bei Schicksalsschlägen den Glauben nicht zu verlieren.
Mit Jesus auf dem Weg sind wir leider nicht von allem verschont, aber wir müssen unser Kreuz nicht allein tragen, einer hilft und heilt die Wunden.
Die Entscheidung, den Weg der Nachfolge Jesu zu nehmen, steht uns frei. Zur Freiheit der Kinder Gottes sind wir berufen.
Einen schönen Sonntag,
eure Dekanatsassistentin Patrizia Wohlmacher